So. Nun kommt endlich der Bericht meines ersten Trips mit einem Psychedelikum. Es gibt zwei Einträge über meine Gedanken zu LSD und meiner Selbst und zu meiner Vorbereitung des Trips. Ich werde es in diesem Bericht mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit nicht schaffen, alles was sich in mir und um mich herum abgespielt hat, zu erläutern. Ich könnte glaub ich ganze Bücher nur über diesen einen Trip schreiben.
[Anmerkung nach Beenden des Berichts: Ich glaub ich hab das Wichtigste tatsächlich ziemlich vollständig aufschreiben können…]
Eine Woche zuvor hatte ich zwei Freunde, die bereits viele Erfahrungen mit Psychedelika machen durften, die Pappen testen lassen. Beide spürten die Wirkung nur unterschwellig, was ich mal auf vorhandene Toleranz schob und die Möglichkeit, dass auf den Blottern nicht ganz 100µg waren. Dieser Test bestätigte mich wieder in meiner Entscheidung, eine ganze Pappe zu nehmen.
Wir hatten eigentlich zu dritt trippen wollen, doch meinem besten Freund kam was dazwischen. Das minderte meine Vorfreude aber nicht im Geringsten und ich beschloss, trotzdem mit E. zu reisen. In meiner Vorbereitung schreibe ich etwas darüber, dass wir unbedingt in der Natur trippen wollten und den perfekten Ort gefunden hatten. Einen Tag vor dem Trip rief E. mich an: sie hatte einen krassen Alptraum, der von diesem Ort handelte, alles sei tot und trostlos gewesen, sie habe Angst gehabt. Und Angst ist, wie wir wissen, ein No-go für mich, wenn es um das Ausprobieren einer neuen Droge geht. Wir beschlossen also, in meiner Wohnung zu starten. Wir könnten ja noch immer raus gehen, wenn uns danach wär.
Der Tag begann für mich mit dem Klingeln des Weckers um halb 9 Morgens, daraufhin frühstückte ich schnell aber ausgiebig und ging duschen. Ich hatte einen Termin beim Jobcenter, den ich nicht für Drogen hatte verschieben wollen. Das war eine gute Entscheidung, denn der Termin verlief sehr positiv und kurbelte meine gute Laune an. Generell konnte ich mir den ganzen Vormittag das Grinsen kaum verkneifen und freute mich immens auf die bevorstehende Reise. Ich kam gegen 12 Uhr wieder zu Hause an und begann, die Wohnung vorzubereiten, die aus Wohn-/Schlafzimmer mit einem riesigen Bett, separater Küche, kleinem Flur mit angrenzendem Badezimmer und Balkon besteht. Er wurde erst vor zwei Wochen angebaut (was natürlich zu meinem positiven Mindset beigetragen hat) und ist vom Wohnzimmer aus zu erreichen. Durch Balkontür und daneben liegende, bis zum Boden reichende Fensterfront ist die ganze Wohnung sehr hell. Insgesamt ist die Wohnungseinrichtung indisch angehaucht, es dominieren warme Farben. Die Wand hinterm Bett ist mit einem indischen Tuch mit Mustern und Elefanten behangen und die Deckenlampe mit bunten Seidentüchern, ganz abgesehen von selbstgemalten, abstrakt-expressionistischen Bildern an den Wänden. Ich besitze keinen Fernseher und habe eine Leidenschaft für Pflanzen und Kräuter.
Ich räumte mein heiliges Reich pico bello auf, stellte überall Kerzen auf, erweiterte das ohnehin schon große Bett mit etlichen Kissen und Decken und fand einen geeigneten Platz für den Laptop. Am Abend zuvor hatte ich bereits eine Youtube-Playlist zusammengestellt, die es am Ende des Berichts gibt. Der einzige Spiegel in meiner Wohnung, nämlich der am Spiegelschrank im Bad, wurde von mir mit einem Handtuch behangen, da mir geraten wurde, beim ersten Trip möglichst nicht in den Spiegel zu schauen. Auch das stellte sich als gute Entscheidung heraus. Nachdem ich ein paar Dinge weggeräumt hatte wie z.B. das Bild meiner verstorbenen Oma oder Erinnerungen an vergangene Beziehungen [was im Nachhinein betrachtet nicht nötig gewesen wäre], schnitt ich etwas Obst, bereitete ein Glas mit frisch gepresstem Zitronensaft und einem Löffel Zucker vor und telefonierte zwischendurch mit E. Sie würde etwas später kommen als geplant, weil sie noch eine Glühbirne für die Lavalampe besorgen musste. Ich war so unglaublich ungeduldig, dass ich es kaum schaffte mich auf etwas anderes zu konzentrieren. Somit vertrieb ich mir die Zeit im Internet, bzw. Forum. Ich aß noch ein Brot mit Frischkäse und Schinken und eins mit Brie, dazu etwas Obst und Eistee.
E. kam gegen 15 Uhr bei mir an. Ich freute mich wie eine Schneekönigin, sie war auch recht aufgeregt und packte erst mal die Lavalampe aus. Da ihre alte Lampe kaputt war, hatte sie sogar tatsächlich eine neue gekauft! Die Lampe wurde also auf der Kommode gegenüber des Betts platziert und eingeschaltet. Musik an. Den Blick zur Außenwelt mit den orangen Vorhängen versperrt. Ich holte die Pappen aus dem Kühlschrank, betrachtete das kleine weiße, mit „1P-LSD“ bedruckte Papierquadrat und fragte mich nochmal selbst: Bist du nur aufgeregt oder hast du Angst? Und schon landete der Fetzen in meinem Mund und unter der Zunge. Es schmeckte nach nichts, was ich mal als gutes Zeichen einstufte.
Es war nun etwa 15:15. Mein Gott, war ich aufgeregt. Hatte richtig Herzklopfen, zittrige Hände und konnte mich gar nicht richtig konzentrieren, weshalb ich beide Kniffel-Runden verlor, die wir spielten um uns abzulenken. Das funktionierte für mich zumindest gar nicht, ich war so gespannt darauf, wie es bei mir anfluten würde, dass ich mehrmals vergaß, wie oft ich denn schon gewürfelt hatte. Immer wieder mal schaute ich mich im Raum um und bei meinem Gang auf die Toilette überprüfte ich Proportionen im Raum und mein Körpergefühl – was nicht so viel Sinn machte, da ich ohnehin so aufgeregt war, dass es sich schon fast anfühlte als sei ich auf MDMA. Ich bekam schwitzige Hände. Spülte den Pappenmatsch in meinerm Mund nach etwa 20 Minuten mit Wasser runter. Immer wieder fragte ich mich, ist das noch Aufregung oder schon Wirkung? Zum Ende der zweiten Runde Kniffel dann war ich mir sicher, dass die Optik sich veränderte, insofern als die Würfel sich ganz leicht verzogen. Das kommunizierte ich meiner Tripsitterin, die mir bestätigte, dass auch bei ihr die Wirkung nun definitiv nicht mehr zu leugnen war. Nun war es also keine reine Aufregung mehr, sondern der Bodyload, der sehr sehr vergleichbar mit MDMA oder Ecstasy war. Und dann ging es los. Mit einem Mal begann das Licht im Raum sich zu verändern. Der Streifen Tageslicht, der von hinter dem Vorhang an die Decke geworfen wurde, begann sich wellenförmig zu bewegen. Das Licht das die Lavalampe ausstrahlte, wurde heller, die Farben im ganzen Raum wurden etwas intensiver und mit den Minuten bewegte sich alles immer mehr. Nichts war mehr gerade. Alle Kanten, Türrahmen und sowieso alles was vorher gerade Linien gebildet hatte, fing an Wellen zu schlagen, als würde man es durch einen gewellten Spiegel betrachten, der sich permanent bewegt. Alles was ohnehin schon wellig war, wie der Vorhang, das Elefantentuch an der Wand usw. wogte vor sich hin wie im Wind – spätestens an der Stelle machte ich alle Fenster zu, um sicher sein zu können, dass das tatsächlich vom LSD kam. Der Bodyload war mittlerweile so stark, dass wir nur auf dem Bett liegen und erst mal stumm die Eindrücke genießen konnten. Der ganze Raum, alles um mich herum begann zu fließen. Euphorie kam auf, denn ich konnte gar nicht fassen was ich da sehe. Einfach alles schlug Wellen und es war so unglaublich schön! Ich konnte mein Glück gar nicht fassen, denn ich hatte mit der Möglichkeit gerechnet, dass ich gar keine Optiks bekomme und dann sowas! Ich war ganz aus dem Häuschen und konnte immer wieder nur sagen wie wunderschön alles war. Alles wurde verstärkt, Farben, Formen, die Matratze fühlte sich an als würde sie auf Wasser liegen und Wellen schlagen.
Mein Körpergefühl war aber, trotz des starken Bodyloads, relativ normal. Noch konnte ich keine Veränderung der taktilen Wahrnehmung oder des Gleichgewichts ausmachen. Was allerdings auch verstärkt wurde, waren die ganzen kleinen Wehwehchen: Mein Nacken war verspannt, ich hatte hie und da Rückenschmerzen im unteren Rücken, hatte ständig den Drang mich einzurenken, die Schultern kreisen zu lassen, die Beine auszustrecken. Das alles habe ich normalerweise auch, aber mir wurde bewusst, wie oft das vorkommt und dass ich das im Normalzustand meistens gar nicht mitbekomme weil es unterbewusst abläuft. Dieses Gefühl, dass ich körperlich nicht fit bin und andauernd die Haltung ändern muss, hat mich da schon arg gestört. Dann blickte ich nach oben und die Seidentücher, die an der Decke hingen, sahen aus als seien sie flüssig! Sie waberten da fluoreszierend vor sich hin und bewegten sich in einer Anmut, die mir den Atem raubte. Ich ging ins Bad, vollkommen fasziniert von allem was ich sah und musste mich etwas zurückhalten, um nicht doch in den Spiegel zu schauen. Der Teppich auf dem Badezimmerboden – Wahnsinn.
Die einzelnen Fasern bewegten sich ebenso wellenförmig wie alles andere, fast schon wie kleine Würmer schlungen sie sich ineinander. Der Duschvorhang wogte wie im Wind. Ich hab kein Fenster in meinem Bad und die Tür war zu. Die Handtücher taten es dem Vorhang gleich. Der Toilettengang an sich verlief vollkommen normal. Ich kam zurück und merkte an dem Punkt bereits, warum LSD-Trips als anstrengend bezeichnet werden. Als ich das auch aussprach, meinte E.: „…und es hat gerade erst angefangen,“ womit mir sofort klar wurde, dass es eine sehr anstrengende Reise werden würde. Ich blickte auf den Boden und dachte ich falle aus allen Wolken.
Das Muster war so unglaublich dreidimensional! Die dicken Punkte waren näher und die kleineren Punkte wirkten weiter weg. Auch das hatte irgendwie Wellencharakter, aber eben von oben betrachtet, wie ein kleiner Kosmos unter meinen Füßen. Die Musik hörte sich ganz normal an, unterstrich aber diesen „Trip-Charakter“. Und nun stand ich da in meinem Wohnzimmer, mit dieser Chemikalie in meinem Hirn, die alles um mich herum bewegte und mir wurde klar, dass sie alle Recht hatten: das kannst du einfach nicht beschreiben. Das muss man erlebt haben um es nachvollziehen zu können. Ich hatte ein neues Grundgefühl entdeckt! Für mich gab es bisher zwei Grundgefühle: Wach sein und träumen. Ich denke, fast jeder wird wissen was ich meine, wenn ich von „Traumgefühl“ spreche. Und nun erfuhr ich endlich, dass dieses Tripgefühl ein drittes Grundgefühl für mich darstellte. Ich war sprachlos. Und sagte das auch mehrmals. Ein paar mal wurde mir mein Dauergrinsen bewusst und ich entspannte meine Gesichtsmuskeln. Aufzuhören zu grinsen ging aber irgendwie mit einem Zittern der Unterlippe einher, ähnlich wie das Kieferzittern bei Ecstasy/MDMA, nur halt nicht im Kiefer, sondern in der Lippe. Generell fing dann alles an zu zittern, die Umgebung, mein Körper, ein zittriges Gefühl machte sich in der Brust bemerkbar. Also schnell wieder gegrinst und sich diesem Fließen um einen herum und in einem drin hingegeben. Diese Lavalampe! Sie schlingerte da so vor sich hin und warf sich kräuselndes, grünes Licht an die Wand (das Wasser in der Lampe ist Blau, der Wachs gelb). Im späteren Verlauf des Trips würde uns noch klar werden, wie wichtig die Lampe, und vor allem ihr Licht für uns sein würde.
Ich bekam Lust, raus zu gehen, denn langsam kam auch die Sonne raus und es war angenehm warm. Ich wollte dieses tolle Gefühl in der Natur erforschen, wollte die Natur selbst erforschen, fühlte mich etwas eingesperrt in meiner Wohnung, in der es nun nichts Neues mehr zu entdecken gab. Also schaltete ich den Laptop aus und wir versuchten, alles Wichtige zusammen zu packen. Mittlerweile waren wir aber dermaßen drauf und so unfassbar verpeilt, dass wir uns irgendwann auf dem Bett wieder fanden, stumm grinsend dieses Wirbeln um uns herum betrachtend, ohne Musik, unsere Aufgabe vollkommen vergessen. Mir fiel die fehlende Musik auf, ich fragte E. warum der Laptop aus wäre und konnte erst gar nicht glauben, dass ich das selbst gemacht haben sollte! Achja, wir wollten ja raus gehen! Ohgott. Mir war klar, dass ich viel zu verschoben war, um alles zusammenzupacken was wir brauchen und so bat ich meine Tripsitterin, mich und alles andere einfach einzupacken. Obwohl sie nicht weniger verpeilt war als ich, konnte sie sich zumindest kurz auf das Wesentliche fokussieren und ihren Rucksack packen. Immerhin dachte ich daran, Flipflops und den Schlüssel mitzunehmen und letzteren in E.s Rucksack zu deponieren. Wir verließen die Wohnung und dachten noch 3 Mal darüber nach ob wir alles hatten und ob wir die Wohnung so verlassen könnten (im Hinblick auf offene Fenster usw). Als wir dann im Hausflur standen, dachte ich mir, ach du Scheiße, war das eine gute Idee? Was kurios war: der Hausflur bewegte sich kein Stück, aber durch das Fenster in der gegenüberliegenden Wand sah ich die Bäume, die sich bewegten als würden sie hin und her schwingen. Wie viel davon Wind und wie viel Trip war, konnte ich nicht sagen. Ich fragte E. ob das jetzt ne gute Idee ist, aber nicht aus Angst oder einem negativen Gedanken heraus, sondern eher wie ein Kind, das gerade im Begriff ist etwas zu tun von dem es weiß, dass es verboten ist. E. grinste mich an und hielt mir ihren Arm zum Einhaken hin. Ich ergriff ihn und wir marschierten im Gleichschritt die Treppe herunter. Es fühlte sich an wie eine Aufgabe die wir jetzt angingen, voller Enthusiasmus öffnete ich die Haustür und wir stürzten uns ins Draußen.
Der Plan war klar: so schnell wie möglich die 5 Minuten Gehweg hinter uns bringen, um in die Natur zu kommen. Bis dahin hatte ich mir gar keine Gedanken gemacht, wie ich auf „normale“ Menschen reagieren würde. Und selbst wenn, hätte ich wahrscheinlich nicht erwartet, dass ich in haltloses Gelächter ausbrechen würde, sobald wir jemandem begegneten. Ich bekam einen Lachflash nach dem anderen und konnte mich kaum zusammenreißen. Dieses Schulbank-Syndrom, wenn man nicht lachen darf, packte mich und ließ mich nicht mehr los, ständig begleitet von dieser unfassbar krassen und schönen Optik. Ich hatte das Gefühl dass man mir ansieht, dass ich auf Droge bin und versuchte, möglichst normal zu laufen, doch allein das Schwingen meiner Arme fühlte sich irgendwie falsch an, verbunden mit dem Bewusstsein leichten Rückenschmerzes und der Frage, ob man mir ansieht dass ich auf Drogen bin oder ob ich scheiße aussehe. Dann bogen wir in den Fußgängerweg ein, der Richtung Wiesen und Wälder führte. Rechts, hinter dem scheinbar unendlich langen Maschendrahtzaun, ging es eine Art Böschung hinauf, über die sich ein kleines Waldstück erstreckte. Links ebenfalls Bäume und Büsche, dahinter Gärten und wiederum dahinter die dazugehörigen Häuser. Wzischen den Bäumen konnte man einen Streifen blau-weißen Himmel sehen und als wir so viel Grün um uns herum hatten, änderte sich die Stimmung schlagartig. Mit einem Mal fühlte ich mich, als seien wir mitten im tiefsten Urwald. Mir wurde jede einzelne Vogelstimme bewusst, es scharrte und knackte um uns herum, die ein oder andere Grille zirpte. Durch die Baumkronen kam ab und zu Sonnenlicht heruntergeflossen und tauchte alles in mystisches Licht. Irgendwelche Pflanzen, die von den Bäumen hingen, sahen aus wie Lianen, verbunden mit dem Moos überall und den teilweise knorrig wachsenden Bäumen. Dieses „Tripgefühl“ wurde mir immer bewusster und ich spürte, dass ich immernoch immer mehr drauf kam. Der Himmel und die Wolken verwirbelten ineinander und ich musste an die berühmte Sternennacht von van Gogh denken. Ich konnte noch immer nicht glauben wie schön alles war! Ich schaute E. begeistert an, breitete die Arme aus mit dem Gedanken, sieh dir das an, das ist ja unfassbar, und sie grinste nur mit den Worten „Ja, es ist wirklich so schön!“ Erst im Nachhinein ist mir aufgefallen, dass sie auf meinen Gedanken geantwortet hat. Und wie wir so durch den Urwald flanierten, überholten uns zwei Jogger, ein Mann und eine Frau – sie hatte irgendwie ein so breites Hinterteil, dass es mir vorkam als würden wir von einem Nashorn überholt werden und wieder prustete ich los und musste stehen bleiben, weil ich derart lachen musste, dass es mir die Tränen in die Augen trieb.
Wir kam an eine Kreuzung. Links erstreckte sich die saftigste Hundewiese die ich je gesehen hatte, dahinter Weizenfelder. Rechts war ein angelegter Wald aus jungen Bäumen, der von etwa 2-3 Meter breiten, schnurgeraden Wegen durchzogen war. Ab hier verringerte sich unsere Gehgeschwindigkeit rapide, denn der Weg war nicht asphaltiert und matschig. Ich war ohnehin barfuß unterwegs und hatte meine Flipflops in der Hand. Jetzt zog auch E. ihre Schuhe aus und wir schlichen den Weg entlang, damit wir nicht ausrutschten oder auf etwas Spitzes traten. Nach wenigen Schritten fiel mir auf, dass ich mich irgendwie nicht aus meiner Komfortzone herauswagte und möglichst am Rand des Weges ging, wo es eben nicht ganz so matschig war. Wie schwachsinnig, dachte ich mir und steuerte die Mitte des Weges an. Was sich da unter meinen Füßen abspielte, fühlte sich nicht unbedingt anders an als sonst, Matsch war kalt und nass, Steine waren kalt und hart, aber es war als wären meine Fußsohlen plötzlich so empfindlich wie meine Fingerspitzen. Ich konnte jede kleinste Unebenheit gleichzeitig spüren. Immer wieder mal hockte ich mich hin, um etwas ganz genau zu betrachten, wie kleine Steine, deren nasse Oberfläche fluoreszierte. Der Wald lebte und wogte um uns herum und alles war noch begleitet von diesem ständigen optischen Wirbeln, das langsam einen zittrigen Charakter annahm. Auch E. nahm dieses Zittern wahr. Nach ein paar Metern fiel meiner Gefährtin ein kleiner Trampelpfad auf, der sich auf der rechten Seite in den Wald schlängelte. Wir nahmen also den neuen Pfad und entdeckten mit unseren Füßen den natürlichen Waldboden mit seinen Wurzeln und dem Laub und dem superweichen Moos. Der Pfad war schmal und wir mussten hie und da Äste und Brombeerzweige beiseite schieben. An einer Stelle bin ich die ganze Zeit in den Brombeeren hängen geblieben und hab irgendwie rumgemotzt, den genauen Wortlaut weiß ich nicht mehr, aber der Wald rächte sich sofort indem er mit einen dicken Zweig ins Gesicht schlug.
E. blieb stehen und blickte sich um und auch ich blieb stehen. Nun standen wir wirklich mitten im Wald und waren ganz still vor lauter Ehrfurcht. Ich sah mich um und konnte irgendwie noch immer nicht glauben, dass so normale Dinge wie ein nasser Ast in so vielen Farben leuchten konnte. Das Verrückte daran war, dass der Ast nicht etwa eine andere Farbe hatte als normalerweise: er war braun und etwas grünes Moos war darauf und er glänzte ein bisschen weil er nass war. Nichts Besonderes also, aber nun fielen mir all die verschiedenen Braun- und Grüntöne auf und an den Stellen, wo sich das Licht auf den Wassertropfen brach, konnte ich die Spiegelung von den Blättern und dem Himmel über mir sehen! Ich hätte am liebsten noch immer näher und näher geschaut, aber trotz der geboosteten Wahrnehmung sieht man halt irgendwann unscharf wenn man zu dicht ran geht. Das hat mich ganz schön gefuchst, ich hätte am liebsten immer tiefer in die fraktalen Strukturen der Blätter geschau, musste unweigerlich an einen Mandelbrot-Zoom denken und verzehrte mich danach, so etwas zu können. Ich hockte mich hin und horchte und blickte in den Wald, noch immer wirbelte meine Optik ganz schön herum und als E. sich neben mich hockte, machte sie mich auf das Geäst des umgestürzten Baumes aufmerksam: wir saßen direkt davor und es war uns nicht mal aufgefallen! Jetzt wurde uns aber auch die Ironie in diesem Bild bewusst, denn obwohl alles wirbelte und zwirbelte und bunt war, bildeten die Baumstämme und das waagerechte, umgestürzte Geäst des toten Baumes ein schnurgerades Schachbrettmuster, das uns bis dahin nicht mal bewusst gewesen war. Irgendwann hatten wir aber auch genug vom Rumhocken im Wald und gingen zurück zum Matschweg. Die Bäume zogen sich dann etwas zurück, der Weg wurde breiter, das Blätterdach öffnete sich und der Weg ging in einen schmalen Trampelpfad über. Zwischen uns und den Bäumen rechts und links wuchs nun hohes Gras, dessen Spitzen durch meine Finger glitten. Die Sonne kam raus und ich wurde von einem natürlichen Frieden erfasst. Ich hörte jede einzelne Grille zirpen und ich bin mir sicher, wenn ich sie gesucht hätte, hätte ich auch jede einzelne gefunden. Der Boden unter unseren Füßen wurde auch fester, was eine angenehme Abwechslung war.
Um uns herum schwirrten gefühlt Milliarden Insekten, der ein oder andere Lufthauch strich angenehm über meine Haut und ich spürte jedes kleine Haar auf meiner Haut, das durch den Wind bewegt wurde und auch, in welche Richtung es sich bog! Ich war noch immer ganz aufgeregt und schaute mir alles möglichst genau an. Das Gras wogte ein wenig psychedelisch vor sich hin, während die Wolken über uns sich wirbelnd mit dem blauen Himmel vermischten. Ein paar Augenblicke voller Faszination später endete der Pfad und grenzte an einen Schotterweg, der uns in dem Moment aber herzlich wenig interessierte, denn da vor uns war eine steile Böschung, am oberen Ende eine Leitplanke. Ich wusste, dass dort keine dicht befahrene Straße auf uns wartete, sondern ein asphaltierter Weg, der nur selten von Autos benutzt wurde. Wir beschlossen, die Böschung zu erklimmen und so krabbelte ich wie ein Insekt auf allen Vieren zwischen den Sträuchern nach oben, E. direkt hinter mir. Oben angekommen, drehten wir uns um, setzten uns auf die Leitplanke und hatten einen sagenhaften Ausblick über Felder, kleine Wäldchen und die Zivilisation dahinter. Aber der Himmel war viel interessanter, denn auf der einen Seite dominierten dicke, dunkle Wolken, die nur so vor sich hin matschten und auf der anderen Seite waren kleine weiße Schäfchenwolken in den Himmel getupft. So langsam gewöhnte ich mich etwas an den Zustand. Vielleicht lag es aber auch daran, dass wir ziemlich lange da saßen, kaum etwas sagten und einfach nur die Eindrücke in uns aufsaugten. Es war wahnsinnig faszinierend alles, ich hörte jeden einzelnen Vogel zwitschern oder im Geäst herumhüpfen, den Wind durch die Baumwipfel streichen und die Blätter zum Tanzen bringen. Wenn unten Menschen über den Kiesweg knirschten, konnte ich dieses Geräusch schon fast spüren, wie quietschende Kreide auf der Tafel. Die Leitplanke wurde uns schnell unbequem, sodass wir uns daneben auf die Straße setzten. Es war so idyllisch, ich konnte die ganze Zeit nur zufrieden darüber lächeln. Neben mir wuchsen Gräser gen Himmel und winzige, schwarze Käfer mit perlmuttern schimmernden Rücken krabbelten auf ihnen herum. Auf einem ganz schmalen Grashalm entdeckte ich zwei winzige, zweiße Punkte, die aussahen wie Insekteneier. Ich kam mit meinem Gesicht immer näher und wollte sie mir ganz genau ansehen, doch irgendwann wurde das Bild unscharf, weil ich eben zu nah dran war. Das machte mich erneut total fuchsig in dem Moment, ich wünschte mir so sehr, dass ich immer und immer näher schauen könnte und dachte wieder an Mandelbrot-Videos.
Immer wenn ein normaler Mensch an uns vorbei lief, wandte ich einfach den Blick ab und sah woanders hin, nicht weil die Menschen mir unangenehm waren, sondern weil ich einfach loslachen musste, wenn ich sie ansah. Bei einem konnte ich aber irgendwie nicht anders, ich blickte nach links und sah diesen übergewichtigen Mann mit extraordinär dickem Schnautzbart, hochrotem Kopf und (ich schwöre) bayerischer Tracht, der sich keuchend und schweißüberströhmt mit seinem Fahrrad den Berg hochstrampelte. Es war ein Bild für die Götter! Ich musste so sehr lachen, dass ich mich irgendwann verschluckte und gar nicht richtig husten konnte, weil ich einfach so hart lachen musste.
Eine andere interessante Begegnung hatten wir mit einem jungen Pärchen mit Hund und Kind, vielleicht 3 Jahre alt. Das Pärchen sah aus wie die perfekte Besetzung für so ne Hartz-4-RTL-Sendung. Beide am rauchen und mit abgefucktem Blick. Als sie an uns vorbei kamen, hatten E. und ich eigentlich nur Augen für das Kind, das uns ansah, als es an uns vorbei kam. Ich winkte und sagte freundlich Hallo, das Kind antwortete überraschend fröhlich und die Eltern guckten vorhersehbar missbilligend auf uns herab, wie wir da wie die Hippies gekleidet auf dem Fußweg saßen und die Sonne genossen. Unerhört! Aber E. und ich freuten uns viel mehr über das Kind, mit dem wir uns mehr verbunden gefühlt haben als mit denen, die eher in unserem Alter waren.
Als ich in den Himmel schaute, fiel mir irgendwann auf, dass ich Muster sehen konnte, die sich kreisend über den Himmel zogen, ganz leicht nur aber deutlich zu sehen. Ich sah dieses Fibonacci-Muster, das man z.B. in einer Sonnenblume oder Romanesco-Kohl findet.
Immer wieder mal waren wir total fasziniert von Moos, das einfach mal überall wuchs! Wir stellten uns vor wie die normalen Menschen das wohl ziemlich lächerlich finden würden und machten uns einen Spaß daraus uns zu überlegen, wie wir das Moos präsentieren könnten. „Ladys und Gentlemen, mit großem Stolz präsentieren wir….. MOOS!“
Immer wieder mal tranken wir ein paar Schlückchen Eistee und machten uns dann irgendwann auch mal wieder auf den Weg Richtung Zuhause, da die dunklen Wolken dann doch bedrohlich nahe kamen und wir ungern vollkommen durchnässt worden wären. Also setzten wir uns wieder in Bewegung und landeten nach ein paar Metern auf dem Weg zwischen Hundewiese und Wäldchen, nur diesmal von der anderen Seite. Rechts von uns war ein goldenes Weizenfeld, das irgendwie so saftig und sanft wogend aussah, dass ich am liebsten hineingesprungen wäre um darin zu schwimmen. Es sah einfach unfassbar gemütlich aus. Es waren nicht so viele Menschen unterwegs hier, was mir sehr angenehm war. Wir schlenderten ganz gemütlich, genossen die Sonne auf unserer Haut und das Wirbeln und Zwirbeln von Wolken und blauem Himmel zog mich in seinen Bann, bis E. auffiel, dass überall auf dem Asphalt halb und ganz plattgefahrene Nacktschnecken lagen. Das fand sie offensichtlich ganz schön ekelhaft und die Tiere taten ihr auch sehr Leid, also bogen wir nach links in so einen Weg der von hohem Gras und angrenzendem Wald rechts und links gesäumt war. Hier waren scheinbar nur selten Menschen lang gegangen, denn wir staksten mit hohen Schritten durch halb plattgetretenes, nasses Gras und diesmal fielen mir die zirpenden Heuschrecken besonders intensiv auf. Ich kam mir vor wie in afrikanischem Grasland, bei 40°C auf der Suche nach Unterschlupf. Leider dauerte es nicht sehr lange, bis E. auffiel, dass man mit jedem zweiten Schritt in eine Nacktschnecke trat. Wir sahen uns um und – ohgott – da waren ja überall Nacktschnecken! Meine Tripsitterin bekam langsam die Krise mit dem glitschigen Vieh-Zeugs und ich bekam eine Idee. Ich lief vor und lotete immer kleine Stellen aus, wo keine Schnecken waren, damit E. in meine Fußstapfen treten konnte. Fanden wir auf jeden Fall sehr witzig, diesen Vergleich. Wir tapsten wieder Richtung Wäldchen, kämpften uns sehr langsam und mit größter Vorsicht, weil wir die Pflanzen um ins herum auch nicht verletzen wollten, durch das Dickicht, bis wir wieder im Wald standen.
Und sofort änderte sich wieder die Stimmung, vom surrenden Schneckengrasland waren wir in den Urwald zurückgekehrt und atmeten erst mal auf. Hier war es viel ruhiger, das dominierende Geräusch waren Wassertropfen die auf Laub oder in Pfützen fielen. Die Bäume hier waren viel niedriger und jünger und standen alle in Reih und Glied im Moos, während in den Reihen dazwischen langgezogene Pfützen waren. Wir hielten uns an den dünnen Baumstämmen fest, während wir in gebückter Haltung immer auf dem Moos blieben. Das fühlte sich nicht anders an als sonst, es war weich und kalt und feucht, aber es war irgendwie einfach intensiver. Ich hatte das Gefühl, jedes Moosblättchen spüren zu können. Auch an den Baumstämmen wuchs Moos und ich liebte es, beim Loslassen noch mit den Fingerspitzen über den weichen Teppich zu streichen. Der Wald war sehr entspannt und idyllisch, irgendwie atmete alles und bewegte sich und arbeitete und wuchs dabei unmerklich. Ich sah nicht das Wachsen, aber ich konnte es irgendwie spüren. Das könnte ich nun versuchen zu erklären, aber das ist vollkommen unmöglich. Dafür gibts keine Worte´und die kann es auch niemals geben, denn es war ein Zusammenschluss all dieser bekannten und unbekannten Wahrnehmungen. Wie beispielsweise das unendlich leise Knarzen das ich glaubte zu hören, wenn ich einem Baum sehr nahe kam. Möglicherweise war es auch nur die Vibration von aneinander reibenden Ästen weiter oben, aber für mich war es in dem Moment eine schöne Vorstellung, den Baum wachsen zu hören. Ich blickte nach unten auf meine Füße, die auf dem wirbelnden Moos gebettet waren, daneben die lange Pfütze zwischen den Bäumen. Vorsichtig ließ ich erst einen, dann den nächsten Fuß ins kalte Wasser gleiten, das mir dann bis zu den Knöcheln ging und stöhnte auf. Das war ein herrliches Gefühl, ich spürte, dass das Wasser nun den ganzen Dreck von meinen Füßen waschen und meine geschundenen Fußsohlen entspannen würde (ich war die letzten Tage nur Barfuß gelaufen).
Plötzlich stellte ich fest, dass ich pinkeln musste und meine Gefährtin musste auch mal. Wir sahen uns nur an und dachten „Ohgott, ob wir das jetzt schaffen?“ Schließlich waren wir die ganze Zeit schon von Eindrücken bombardiert worden und es kam mir wie eine fast unlösbare Aufgabe vor, mich hier in dem engen Wäldchen irgendwo hinzuhocken und zu pinkeln, ohne hinzufallen oder meine Kleidung anzupinkeln. Aber irgendwie fühlte ich mich jetzt auch herausgefordert, ließ mir ein Taschentuch geben und bat einen Baum, meine Tasche kurz zu halten. Ich suchte mir eine geeignete Stelle und bekam das irgendwie alles viel besser hin als ich dachte. Es war sogar ziemlich faszinierend, da mein Urinstrahl auf dem Moos schäumte und einen hellgrünen Fleck hinterließ. Als wir fertig waren, bedankte ich mich bei dem Baum fürs Halten meiner Tasche und wir verließen den Wald wieder. Auf dem Weg durchs Dickicht fiel mir auf, dass ein ganz leichter kühler Windhauch über meinen Rücken strich und ich konnte wieder jedes kleine Häärchen spüren, wie es sich im Wind bog. Das war ein total irres Gefühl, denn ich dachte die ganze Zeit, dass Spinnenweben über meine Haut fahren würden, wie einem das im Wald halt so passiert. Aber es war einfach mal Wind der jedes kleine Häärchen berührte und das machte mich in dem Moment sehr demütig dieser Droge gegenüber. Beziehungsweise es vertiefte meine Demut noch.
Als wir den Wald verlassen hatten, legte wir den Rest des Asphaltierten Weges Richtung Heimat zurück und wieder kam das Schneckenproblem auf. Ich sagte nur, „Also entweder musst du deine Schuhe anziehen oder eben schauen wo du hinläufst“, um genau im selben Moment in eine Nacktschnecke zu treten und zu spüren, wie Innereien sich unter meiner Fußsohle verteilen. Wieder mal hatte das Charma mir eine Lektion erteilt und da wurde mir berwusst, dass wir diese Lektionen und Fingerzeige jeden Tag erhalten. Wir merken es nur nicht oder wollen es nicht merken, tun es als Zufall ab und machen uns nicht bewusst, dass viele Dinge die passieren, eine Antwort des Universums auf Worte und Handlungen unsererseits sind. Ähnliche Situationen gab es während des Trips immer wieder, aber leider kann ich mich nicht an jede einzelne erinnern.
Wir gingen also wieder Richtung Zuhause und ließen uns Zeit dabei, denn ich fand es ja schon interessant zu sehen wie Regen nun auf mich wirken würde. Am Ende des Weges setzten wir uns also einfach auf den Asphalt und warteten. Vor uns krochen die dunklen Wolken auf uns zu und über uns hinweg und die Luft wurde immer dicker, immer stickiger. Ich habe noch nie diese Spannung, die sich kurz vor einem Sommerregen aufbaut, so intensiv wahrgenommen wie in diesem Moment. Die Spannung übertrug sich richtig auf mich, ich war ganz ungeduldig und wollte, dass es jetzt mal endlich anfängt zu regnen! In diesem Moment fuhr jemand mit dem Fahrrad an uns vorbei und blickte irritiert zurück. Ich schaute ihm hinterher und winkte freundlich – was sich als Fehler herausstellte, denn der Typ war in unserem Alter, drehte um und mir wurde sofort klar, dass er uns anmachen würde. Ohgott. Das optische Wirbeln wurde mit einem Mal sehr viel stärker, als ich ganz schnell zu E. sagte „Der macht uns jetzt an, wir müssen gehen!“
Sie tat es mir gleich und stand auf, wir drehten uns herum und gingen schnell weiter, doch zu spät, der Typ mit dem Fahrrad hatte uns bereits eingeholt, sprach uns in gebrochenem Deutsch an (ich glaube er war Südländer). Ich war total überfordert, gab ihm die Hand und sagte ihm meinen Namen, bevor E. mich wegziehen konnte und den Typen abwimmelte. Er rief noch irgendwas von wegen Handynummer hinter uns her, da waren wir schon um die Ecke. Was war das denn gerade, dachte ich mir. Warum hast du ihm die Hand gegeben und deinen Namen gesagt, obwohl du wusstest dass er dich nur anmachen will und du gerade total auf LSD verstrahlt bist? Doch mir kam der Gedanke, dass das nicht mal der Fehler gewesen war, sondern die Tatsache, dass ich ihm, naiv wie ich war, hinterhergewunken hatte. Das war übrigens auch die einzige Begegnung mit einem „Normalo“, bei der ich nicht in haltloses Gelächter ausbrechen musste.
Kurz vor der Haustür bekamen wir auch noch ein paar Tropfen Regen ab, aber durch die seltsame Begegnung konnte ich mich darauf irgendwie nicht einlassen. Als wir in meiner Wohnung ankamen, erfasste mich eine Erleichterung, als sei ich seit Wochen nicht mehr dort gewesen. Sowieso genieße ich es jedes Mal, wenn ich den Schlüssel zu meinem Reich herumdrehe in dem Wissen, dass ich endlich meine Ruhe habe. Ich wohne erst seit einem halben Jahr in meiner ersten eigenen Wohnung und dieses nach-Hause-komm-Gefühl steigerte sich nun ins Unermessliche. Draußen regnete es und wir waren warm und sicher in meiner Bude. Als ich meine Flipflops wegräumte und mich aufs Bett fallen ließ, fiel mir etwas unglaubliches auf: Ich war überhaupt nicht schmutzig! Wir waren durch regennasse Wiesen und Wälder geklettert, teilweise auf allen Vieren, über Stock und Stein, querfeldein und trotzdem hatte ich keinen Schmutz an mir! Bis auf meine Fußsohlen war ich komplett sauber. Ich konnts kaum fassen. War aber einfach nur so froh, dass wir wieder zu Hause waren, dass ich dieser Tatsache vergleichsweise wenig Beachtung schenkte.
Ich war fix und fertig. Mir tat irgendwie alles weh und ich hatte das Gefühl als seien wir den halben Tag unterwegs gewesen. Die interessante Frage war nun: wie viel Uhr war es? Wir hatten nämlich schlauerweise keine Handys mitgehabt. Ich guckte auf die Uhr und stockte. War mein Handy kaputt? Oder zwischendurch abgestürzt? Ich frage E. wie viel Uhr ihr Handy anzeigte und alles fiel mir aus dem Gesicht.
3 Stunden.
Es waren 3 Stunden vergangen seit wir die Wohnung verlassen hatten und das konnte ich einfach nicht glauben. Ein Schreckgefühl machte sich in meiner Brust breit, aber es war kein Entsetzen, sondern einfach Ungläubigkeit. Seit wir die Wohnung verlassen hatten, hatte ich so verdammt viel erlebt und gedacht und gesehen, dass ich das Gefühl hatte, es seien 10 Stunden oder mehr vergangen! Und wenn ich jetzt so hier sitze und auf den Wortzähler blicke, kommt dieses Gefühl ganz subtil wieder hoch. Ich bin jetzt bei 5509 Wörtern und habe nur einen Bruchteil dessen was in diesen insgesamt 5 Stunden Trip seit Einnahme passiert war, aufschreiben können. Und es kommen immer wieder noch mehr Erinnerungen hoch. In diesem Moment jedenfalls verstand ich, was die Leute meinen wenn sie sagen, dass auf LSD die Zeit keine Rolle mehr spielt. Ich dachte an einen Moment, als wir auf dem Weg neben der Leitplanke gesessen hatten und mir bewusst geworden war, wie es sich anfühlt wenn die Filter im Gehirn heruntergefahren werden. Und dass ich es unglaublich finde, wie Menschen sich diese Art von Bewusstseinserweiterung jedes Wochenende geben können! Das menschliche Gehirn ist nicht dazu gemacht, all diese Eindrücke wahrzunehmen und dieses Fehlen der Filter ist mega anstrengend für die Psyche! Ist ja klar dass es sich anfühlt als wäre mehr Zeit vergangen, wenn man plötzlich 10x so viele Dinge gleichzeitig wahrnimmt. Wie kann man, wenn man um diese Wirkung weiß, jemandem der noch nie ein Psychedelikum konsumiert hat, ein Blättchen mit 2 Tropfen geben und dann mit ihm in die mit normalen, halbnackten Menschen vollgestopfte Sauna gehen, am hellichten Tag!? Ich brauchte eine ganze Weile, bis ich diese Gedanken verkraftet hatte. Und bekam so langsam ein bisschen Bammel, denn mir wurde klar, dass ich im Zweifel nicht mal die Hälfte des Trips hinter mir hatte und ich langsam schon ziemlich überfordert war.
Ich machte ein paar Kerzen an, lüftete die Wohnung und schaltete den Laptop wieder ein. Das gestaltete sich als gar nicht mal so einfach, denn ich habe sowohl ein Systempasswort als auch ein Windows-Passwort. Ich gab das Systempasswort so oft falsch ein, obwohl ich teilweise sehr langsam tippte, dass mit einem Mal der Bildschirm schwarz wurde, der Laptop einen furchtbaren Piepton von sich gab und auf dem Bildschirm stand „SYSTEM DELAYED“.
Oh mein Gott. Mein Laptop ist Schortt. Ohgott ohgott, in meinem Kopf überschlug sich alles, denn auf diesem Gerät waren Daten von unschätzbarem Wert für mich. Ich wusste gar nicht ob ich Panik bekommen oder loslachen sollte, also tat ich beides und zog einfach den Stecker. So. Stille. Und nochmal von vorne. Stecker rein. Knopf drücken. Erleichterung, denn der Bildschirm für die Passworteingabe erschien. Ich gab das Passwort ein, verschrieb und korrigierte mich dreimal bevor ich auf Enter drückte und – Halleluja! Das zweite Passwort bekam ich auf Anhieb fehlerfrei hin und so tröpfelten schon bald entspannte, elektronische Klänge durch den Raum. Es wurde auch langsam dunkel draußen und so beschloss ich, die Vorhänge zu schließen.
Alles was ab hier passierte, kann ich zeitlich nicht mehr einordnen. Wir haben den kompletten restlichen Trip in meiner Wohnung, zumeist auf dem Bett, verbracht und daher kann ich eigentlich nur aufzählen, was so passiert ist und versuchen, es grob einzuordnen. Ich hätte gerne Bilder von bestimmten Stellen meiner Wohnung hier gezeigt, aber da bin ich dann doch zu schissig, weil mir meine Anonymität sehr wichtig ist.
Nachdem wir zurück waren und ich auf den Gedanken, dass erst 3 Stunden vergangen waren, klar kam, machten wir wie gesagt entspannte Musik an. Ich würde sagen spätestens ab hier ging der Mindtrip richtig los und der war ganz schön anstrengend. Ich ging in die Küche um eine Kleinigkeit zu essen und hockte mich vor den Kühlschrank. Als ich ihn öffnete, sprangen mir all die bunten Sachen darin förmlich entgegen und ich versuchte, auch nur eine Sache zu identifizieren und zu entscheiden, ob ich das essen möchte oder nicht. Gleichzeitig lief im Hintergrund ziemlichen abgedrehter Kram und ich merkte, wie das meine Stimmung langsam drückte und das schöne Wirbeln wurde zu einem bedrohlichen Strudeln. Ich bat E. andere Musik anzumachen, was sie sofort tat und es wurde auch direkt besser. Kühlschrank zu – auf der Arbeitsplatte stand noch eine Schüssel mit Melonenstücken, die wir dankbar aßen. Auf einer Wand in meiner Küche habe ich nach dem Einzug ein großes, buntes Mandala gemalt. Als ich das nun ansah, drehte es sich und verzog sich ein bisschen, wurde oval oder eiförmig. Das beobachtete ich eine ganze Weile und zeigte es auch meiner Tripsitterin, die genau das gleiche sah. Generell Essen war…schwierig. Nicht, weil das Essen an sich anders gewesen wäre. Geschmack und Konsistenz waren normal, Schlucken ging ohne Probleme. Aber wie das Essen aussah! Die Oberfläche einer geschnittenen Kiwi schimmerte als sei sie flüssig (was sie im Grunde ja auch ist) und dieses mandala-artige Muster war einfach unendlich schön. Ich konnte die ganze Zeit nur diese Kiwi anstarren, bis mich etwas anderes in seinen Bann zog und die Kiwi egal wurde. Am nächsten Tag merkte ich übrigens, dass ich nicht mal ne halbe Kiwi geschafft hatte…
Wir chillten die meiste Zeit auf meinem riesigen Bett und dort sammelte sich mit der Zeit alles was wir brauchten. Decken, Essen, Trinken, abgefahrene Edelsteine die wir gegen das Kerzenlicht hielten und drehten – das war sowieso total irre. Einer der Steine war wie Bernstein, aber klar und durchsichtig, mit dunkelroten Adern und Sprüngen durchzogen. Wenn ich ihn drehte, schienen die adrigen Muster auf der Seite, die quasi auf mich zukam, in der Bewegung zu entstehen, als würden die Adern in diesem Moment in den Stein hineinwachsen. So lagen wir eine ganze Weile dort, Kopf an Kopf und ich drehte langsam verschiedene Edelsteine ins Licht. Im Hintergrund die ganze Zeit diese entspannte, trippige Musik. Es war wundervoll. Aber irgendwann machte ich einen Fehler. E. rauchte ab und zu einen Joint, für den sie natürlich ewig brauchte, weil sie immer nur ein oder zwei mal ziehen konnte. Und irgendwann zog ich dann halt auch mal an der Tüte, in regelmäßigen Abständen. Erst hab ich das gar nicht so gemerkt und mir wurde auch erst im Nachhinein bewusst, dass das der Auslöser für negatives Kopfkino war. Eigentlich war schon der ganze Trip immer so ein Hin und Her gewesen zwischen Euphorie und Kopfkino, positiv und negativ. Gegensätze generell waren ein großes Thema für mich. und als ich dann anfing zu kiffen, wurde das noch viel intensiver. Wir waren beide sehr still und dachten viel nach und je nach Stimmung änderte sich richtig das Licht der Lavalampe und der Kerzen und somit auch die Stimmung im Raum. Ich versuch mal, so einen Gedankenstrang zu rekonstruieren:
Die Lichter an der Wand sind so schön…wie im Flow…oh, ach krass, SO sieht das also aus, wenn alles im Flow ist…Gott wie schön…(Lavalampenlicht zwirbelt über die Wand)… wie anstrengend das sein muss, wenn man das die ganze zeit hat…(mir fällt ein Typ ein der in seinem Blog schreibt wie es hängengeblieben ist)…kein Wunder, dass der Konzentrationsstörungen hat…wie einen das einschränken muss…zum Glück passiert mir sowas nicht….und wenn doch..?….was mach ich denn dann….stell dir das mal vor, du wachst auf und das ist noch immer alles so….(Angst kommt auf, es wird dunkler, alles wirkt bedrohlich)…ja, was mach ich eigentlich wenn das so bleibt?…wie furchtbar das wäre!…dann müsste ich meiner Mom sagen dass ich auf LSD hängen geblieben bin…) ich stelle mir vor was das für Auswirkungen auf sie hätte und wie sie zusammenbrechen würde…Angst wird zu Panik)…das wär ja mal richtig scheiße, dann komm ich ja gar nicht mehr klar!…was mach ich denn dann…dann muss ich mich umbringen glaub ich….naja aber gut, was willste auch machen….gibt für alles medikamente….das passiert so dermaßen selten….und selbst wenn, dann begeb ich mich halt in Behandlung…werde schon nicht sterben…und wenn doch, dann ist es so…….lass es geschehen…lass dich einfach fallen…geh mit dem Flow, das sagen doch immer alle die auf LSD waren…(Das Licht wird plötzlich wieder Heller, bunte Strahlen bewegen sich über die Wand nach oben und es entsteht wieder ein Wirbeln und Zwirbeln)
In diesem Moment bekam ich ein Gefühl des Befreitseins von dieser Angst, ich spürte richtig wie ich wieder Teil des Flows wurde und sogar die Matratze unter mir schien wieder Wellen zu schlagen. Aber es dauerte nicht so lange, bis das Selbe wieder von vorne anfing und so verbrachte ich Stunden damit, zwischen Angst und Freude hin und her zu pendeln. Es fiel mir schwer, mich mit einer Sache zu beschäftigen und so dauerte es zum Beispiel über eine Stunde, bis ich einen Joint gedreht hatte. Immer mal wieder zog ich ein, zwei mal daran und ich merkte erst ganz am Ende, dass das immer wieder negative Gedankenmuster auslöste und auch den optischen Trip ankurbelte. Was seltsam ist, denn ich wusste, dass Kiffen ein Katalysator sein kann und den Trip verstärkt. Ich denke, dass es auch daran gelegen haben könnte, dass ich vor kurzem aufgehört habe zu rauchen. Jemand gab mir mal den Tipp, wenn ich glaube abzudrehen, solle ich etwas tun was mich daran erinnert wer ich bin – also irgendetwas gewohntes, wie Rauchen zum Beispiel. Vielleicht habe ich durch das Rauchen einen Anker gesucht und hätte lieber die ein oder andere Zigarette rauchen sollen anstatt zu kiffen. Dieser Gedanke, es einfach geschehen zu lassen und mich treiben zu lassen, hat mich immer wieder von dem Gefühl der Angst befreit und immer wenn das passierte, geriet alles was ich sah wieder in diesen wabernd-welligen Flow.
Was für mich während des ganzen Trips, speziell aber in der zweiten Hälfte sehr wertvoll war, war mein Buch. Meine besten Freunde schenkten es mir zum Geburtstag und es war als Skizzenbuch gedacht, so ein dick gebundenes mit extra dicken Seiten, damit man auch mit Aquarell darin malen kann. Mit der Zeit wurden die ersten Seiten mit Zeichnungen, Notizen, Texten usw. gefüllt und so hatte ich das Buch auch für meine Notizen bezüglich der Vorbereitung meines LSD-Trips genutzt. Es sollte nun auch mein Medium sein, hatte ich noch vor unserem Waldspaziergang listenförmig mit Uhrzeit die Wirkung notiert, schrieb ich schon bald kreuz und quer über die Seiten, bemalte sie mit Fingerfarbe (was für E. und mich später sehr interessant war, denn sie hatte einfach nur Farben auf einem Punkt zusammengematscht und am Ende war es moosfarben!) und schrieb immer mal wieder kleine Erkenntnisse hinein. Auch das diente für mich irgendwie als Anker, auch wenn es teilweise sehr schwer war, einen Gedanken in festen Worten aufs Papier zu bringen, weil meine Gedanken sich während des Denkens ständig neu formulierten und ich ohnehin viel schneller dachte als ich schreiben konnte.
Ich will mal ein paar DInge die dort stehen erklären. Auf der ersten Seite steht unten „Die Lavalampe hat die Farbe von Moos“, was mich in dem Moment total schickte und währenddessen fiel mir auf wie schwer es mir fällt, meine Gedanken zu zügeln, weshalb ich sehr langsam schrieb. E. schrieb auch etwas in die obere rechte Ecke der ersten Seite und mich wunderte, dass sie so schnell und flüssig schreiben konnte! War ich SO verstrahlt? Als sie dann die Hand weg nahm sah ich, dass sie nur Kreise gemalt hatte und wir mussten so lachen, dass mir fast der Bauch weh tat. Das war einer der vielen Momente während des Trips, in denen mir bewusst wurde, wie viel unser Gehirn uns als Tatsache vorgaukelt. Ich war in dem Moment überzeugt, dass E. einen flüssigen Text schreibt als sei nichts. So oft kam ich in Gedankenmuster, in denen ich mich selbst in Frage stellte aufgrund des Verhaltens eines Mitmenschen, das ich einfach fehlinterpretierte. Generell wurde mir bewusst, wie oft ich mich unterbewusst mit anderen Menschen vergleiche. Eigentlich bin ich immer anders gewesen und war auch froh darum, nicht in Schubladen zu passen aber auf LSD ist mir aufgefallen, wir häufig ich mich unterbewusst klein mache weil ich denke dass jemand besser, erfahrener oder mehr wert ist als ich.
Und da wurde mir bewusst, dass das eng im Zusammenhang steht mit den was ich beim Hochkommen gemerkt habe: dass ich ständig an mir rumzupfe, mich anders hinsetze/lege oder die Muskeln anspanne, damit man meinen kleinen Speckbauch nicht so sehr sieht oder mein Doppelkinn. Ich muss dazu sagen, dass ich bei einer Körpergröße von 1,75 irgendwas um die 73 Kilo wiege und nun wirklich nicht stark übergewichtig bin. Ich erinnerte mich also daran, wie ich hochkam und immer wieder in Gedanken überprüft habe wie ich wohl von außen betrachtet aussehe und das irgendwie in Diskrepanz stand mit meinem Bedürfnis, diesen Rausch zu genießen und mich fallen zu lassen. Ich glaube ich habe entdeckt, dass ich unterbewusst ein viel größeres Problem mit meinem Körper habe als ich dachte oder mir eingestehen wollte. Und das hat mir im Nachhinein geholfen, weil diese unterbewusste Selbstüberprüfung nun bewusst geworden ist und ich mich in Momenten in denen ich das merke, selbst konditionierte. indem ich mir sage, dass das nicht notwendig ist und den fremden Leuten um mich herum wahrscheinlich eh nicht auffällt, dass da jetzt ein Speckröllchen mehr ist, weil Menschen meistens nur oberflächlich sehen und eine Person in ihrem Gesamtkonzept in Erinnerung behalten, wenn überhaupt. Das funktioniert sehr gut und ich muss sagen, dass ich mich in letzter Zeit besser in meiner Haut fühle und mich als hübscher und selbstbewusster empfinde wenn ich mich im Spiegel sehe. Hinzu kommt, dass ich mir fest vorgenommen habe, wieder mit dem Sport anzufangen.
Oh wow, so viel wollte ich zu dem einen Punkt eigentlich gar nicht schreiben, aber es zeigt irgendwie ziemlich schön, wie komplex meine Erkenntnisse teilweise waren.
Auf der dritten Seite steht unten rechts etwas von Ankern. Die haben mich den ganzen Trip über an der Realität gehalten und das war gar nicht so einfach – also ich meine, einen passenden Anker zu finden. Nachdem optische Anker wie gerade Kanten oder Gesichter wegfielen, war zunächst mal Reden ein guter Anker. Meine Tripsitterin war sehr ruhig die ganze Zeit und so konnte ich mit ihr reden, erzählen was in mir vorgeht und wusste durch ihre Reaktion irgendwie immer wer ich bin und was wir hier tun. Allein ihre Anwesenheit war extrem wertvoll für mich. Sie war wie eine Wächterin, die mich begleitet hat während ich, neugierig wie ein junges Fohlen, auf Entdeckungsreise ging. Das Buch war auch ein guter Anker. Und die beiden wohl wichtigsten Anker waren zum einen die Musik und zum anderen das Licht. Ich war noch nie so dankbar, dass es diese beiden Dinge gibt. Und während des Trips auf dem Sofa spielten Musik und Licht miteinander und passten sich meinen Gedankenmustern an. Das war teilweise echt unbeschreiblich, ich hätte diese Lavalampe so gerne umarmt, weil sie mich einfach so oft gerettet hat. Wenn ich dachte jetzt komm ich gleich nicht mehr klar, blickte ich einfach zur Lavalampe und beobachtete, wie ihr Licht zusammen mit meinen Gedankenmustern positiver wurde.
Wer ein Fuchs ist, wird bemerkt haben, dass das Moos irgendwie ständig präsent war. Seit diesem Moment auf der Straße riefen wir immer mal wieder mit piepsiger Stimme „Mooooos“ oder beendeten sinnlose Sätze damit. Moos stand irgendwie für dieses Aufbruchs-Gefühl während des Trips, für alles Schöne, Bunte, Fantastische. Moos wurde zu unserer Wappenpflanze. Ein paar Tage nach dem Trip, als ich den LSD-Weg nochmal lang gegangen bin, um Fotos für den Tripbericht zu schießen, habe ich aus dem kleinen angelegten Waldstück mit den niedrigen Bäumen ein Stück Moos mitgenommen und es in einen hübschen runden Blumentopf gepflanzt. Es steht nun im hinteren, dunkleren Bereich der Wohnung und wird von mir täglich mit Wasser besprüht – wenn ich das tue, riecht es in der ganzen Wohnung nach Wald. Dem Moos gehts gut und mir geht das Herz auf.
Apropos Fotos – während des Trips habe ich beschlossen, niemals während einem psychedelischen Trip Fotos zu machen. Ich glaube, dass das irgendwie den Zauber zerstören würde.
Das Wort „Moos“ stand, wie wir später feststellten, in direktem Gegensatz zum Wort „irre“. Während des gesamten Trips bezeichnete ich Dinge, Gedanken oder Optiks als Irre. Es war einfach das beste Wort um auszudrücken, wie unbeschreiblich das Ganze für mich war. Und auch hier entdeckte ich wieder einen Gegensatz. Moos für das Trippige, Verspielte und Irre für alles Unglaubliche, was einfach zu hoch und zu mächtig für uns war. Verspielt vs. Ernst.
Ich glaube die wichtigste Lektion die ich gelernt habe ist die, dass ich gar nicht so labil bin wie ich dachte. Irgendwann schlief E. ein, das muss so gegen 23-24 Uhr gewesen sein. Ich war also allein mit mir und meinem Trip und das war zwischendurch ganz schön hart, aber es ging mir zu keinem Zeitpunkt so schlecht, dass ich sie hätte wecken und um Hilfe bitten müssen. Ganz am Ende des Trips, als ich einfach nur schlafen wollte aber diese Optiks einfach nicht aufgehört haben, bekam ich immer wieder mal richtig Panik, sodass meine Angst über meine ganze Haut kroch. Dieses Gefühl einer Panikattacke, wie ich es oft hatte in Zeiten der Dauerkifferei, kam wieder hoch – wenn mir das Herz bis zum Hals schlug und ich nicht einordnen konnte ob es nun zu schnell oder zu langsam schlug. Einmal war ich mir absolut sicher, dass ich jetzt meine Angstpsychose wieder ausgegraben hätte und ab jetzt in ständiger Angst leben muss. Das hat mich kurz an den Rand der Verzweiflung getrieben, aber ich habe das Gedankenmuster selbstständig wieder auflösen können.
An einer Stelle habe ich angefangen, gedanklich etwas auszugraben, von dem ich schon länger weiß, dass es noch begraben bleiben möchte. Ich bekam kurz Angst, dass ich es jetzt nicht kontrollieren könnte und das LSD mich einfach mit meinem Trauma konfrontiert, aber das wollte ich einfach nicht und so nahm ich den Gedanken, packte ihn in eine Kiste und schob ihn ganz nach hinten in meinem Bewusstsein. Im Nachhinein ist mir bewusst geworden, dass das wunderbar funktioniert hat, ich hatte den Gedanken sofort verworfen und mich etwas anderem gewidmet. Es kamen immer wieder diese ganz leichten kurz-vor-panikattacke-Gefühle, ich hörte mein Herz ziemlich laut schlagen und konnte mir einfach nicht vorstellen zu schlafen, obwohl meine Augen sich extrem trocken und müde anfühlten.
Einmal hatte ich mehrere Gedanken gleichzeitig und ich sah vor meinem inneren Auge, wie diese Gedankenstränge sich ineinander legten, wie wenn man die Hände faltet und plötzlich wurden sie mit einem sauberen Schnitt durchtrennt und Teile davon weggetragen – und das während die Gedanken weiter liefen! Das ist wirklich sehr schwer zu beschreiben und ich denke nicht, dass sich jemand vorstellen kann wie sich das anfühlt, der es nicht selbst erlebt hat. Es war mir nicht unangenehm, ich konnte nur staunen über das was ich gerade erlebt hatte.
Eine ganze Weile starrte ich mit halb geöffneten Augen auf die Lavalampe, alles wirbelte noch relativ intensiv und dann begannen die Farben einfach ineinander zu vermatschen, Formen lösten sich auf und in der Mitte, dort wo eine dicke Lavablase war, entstand ein weißes, waberndes Loch, das ganz langsam immer größer wurde. Ich wurde neugierig aber bekam auch so unsagbare Angst, weil ich irgendwie das Gefühl hatte, dort wartet mein Tod, wenn auch nur ein geistiger, dafür bin ich noch nicht bereit, oh Gott! Also öffnete ich die Augen und beschäftigte mich kurz mit irgendwas, ohne dass dieses Erlebnis irgendwie eine Auswirkung hatte. Ich glaube, dass all diese kleinen Erfahrungen, in denen ich den Trip irgendwie in seine Schranken gewiesen habe, mich stark gemacht haben – nein, sie haben mir gezeigt, wie stark ich eigentlich bin und dass ich meine Psyche sehr viel besser unter Kontrolle habe als ich dachte.
Immer wieder diese Angst vorm Hängenbleiben hinderte mich sehr am Einschlafen, weil ich fürchtete, dass ich aufwache und noch immer wirbelt alles um mich herum. Ganz am Ende dachte ich, so, das muss jetzt aufhören, sonst werd ich verrückt, ich brauch Benzos oder nen Arzt oder sonstwas! Aber ich drehte mich einfach um, legte meinen Kopf in E.s Schoß und begann, meinen Atem zu beobachten. Beim Einatmen zählte ich langsam bis 3 und beim Ausatmen bis 4. Dieses autogene Training schob sich irgendwann in den Hintergrund, während ich weiterhin über andere Dinge nachdachte und die Optik wurde komplett ausgeschaltet, bis ich schließlich eingeschlafen bin.
Afterglow
Das erste was ich am nächsten Morgen dachte, war „Gott sei Dank, es ist alles wieder normal!“
Ich fühlte mich etwas groggy, aber nicht anders als wenn ich den Vorabend viel gekifft hätte. Mir war sofort klar, dass ich da noch diese Angst in meiner Brust habe und bekam ein bisschen Bammel, dass das jetzt doch die Angstpsychose ist, aber das ging im Laufe des Tages komplett wieder weg. Nach dem Aufstehen gingen wir Frühstück holen, es war bewölkt und regnete ein bisschen aber der Tag kam mir irgendwie vor als sei die Welt gerade erst geboren worden. Alles wirkte so frisch und weit und spürte eine tiefe Verbundenheit zu dem Ort an dem ich lebe. Alles hatte noch irgendwie diesen Glanz, speziell Pflanzen und alles Natürliche schien noch ein wenig von innen heraus zu strahlen. Orte an denen ich mich jeden Tag aufhalte, wirkten einfach irgendwie tiefer, schärfer, anders. Als wir zurück kamen, biss ich nur einmal von E.s Brot mit Frischkäse ab, aß ansonsten aber nichts.Ich war so müde, aber wollte nicht allein aufwachen, darum bat ich E., mich einfach mitzunehmen falls sie fahren wollte und das tat sie auch. Sie hat die nächsten zwei Tage noch über mich gewacht. Ich war den ganzen Tag extrem still und habe nichts gegessen – mir war bewusst, dass das daran lag, dass dieser Trip mich einfach gesättigt hatte. Ich war satt von Eindrücken und Gedanken, sodass ich erst am Abend wieder eine kleine Mahlzeit zu mir nehmen konnte. E.s Hund, den ich schon lange kenne, kam mir vollkommen verändert vor. Mir fielen die ganze kleinen grauen Härchen auf, die sie an der Schnauze hat und ich konnte nicht fassen dass ich das vorher nicht gesehen hatte!
Was den Afterglow auch maßgeblich bestimmt hat, war die krasse Verbindung, die E. und ich mit einem Mal hatten. Vor dem Käseregal im Supermarkt kam mir dieses Lied aus der Géramont-Werbung in den Sinn und einen Moment später sagt sie „Ich hab Lust auf Géramont, magst du den?“
Später am Tag, als wir mit dem Hund Gassi gingen, kam mir ein Lied in den Kopf und im genau passenden Moment fängt E. plötzlich an die nächste Zeile laut zu singen.
Das passiert und noch immer ab und zu. Ich glaube, dass sich Teile unserer Hirnwellen vielleicht während des Trips synchronisiert haben, anders kann ich das nicht erklären.
Fazit
Für mich war es eine unbeschreibliche Erfahrung. Der Trip war viel optischer als ich es erwartet hatte und ich würde ihn als durchgehend freundlich bezeichnen. Ich hätte nicht gedacht, dass es so klar und kontrollierbar sein würde. Ich habe auf jeden Fall eine Menge erlebt und bin in vielerlei Hinsicht an meine Grenzen gestoßen, um sie zu überwinden. Ich habe viel gelernt, vor allem über unbewusste Gedankenmuster und meinen Umgang mit mir selbst und meiner Außenwelt. Ich bin sehr, sehr dankbar für diese Erfahrung. Sie ist mit nichts zu vergleichen was ich bisher erlebt habe. Ich kann jetzt schon sagen, dass der Trip mich verändert hat. Und jetzt weiß ich auch, warum es Trip heißt. Reise. Ja natürlich!
Bis zu meinem nächsten Trip werde ich ein paar Monate warten. Dieser Trip hat mich auf jeden Fall auch gelehrt, dass LSD + Gras keine gute Kombi für mich ist. Ich weiß noch nicht ob ich beim nächsten Mal wieder 100µg oder lieber 75µg nehmen soll, aber das Kiffen lass ich auf jeden Fall sein.
LSD ist sehr mächtig. Aber es ist auch barmherzig zu denjenigen, die es nicht missbrauchen. Ich für meinen Teil könnte dankbarer nicht sein, denn der Trip war das Erstaunlichste, Beängstigendste und Schönste was ich je erleben durfte.
Unter diesem Link findet man meinen Tripbericht auch mit Bildern: progressofself.wordpress.com/2016/07/01/meine-atemberaubende-reise-nach-psychedelica/